Archiv der Kategorie: St@rnerQi – die Synthese

Verbindung aus westlicher, klassischer Astrologie und den Energielehren aus dem alten China

AstroQiGong – was ist das?

Was kann, soll, darf man sich unter einer „AstroQiGong“-Stunde vorstellen?

Zunächst eine ganz normale Qi Gong-Stunde mit vielen Übungen. Angefangen von einfachen „Fühlübungen“ über komplexere und auch mal körperlich fordernde Übungen bis hin zur Erfahrung von Energien und Kräften durch einen Partner.

AstroQiGong, freitags 10-11 Uhr im Institut Integrales Tai Ji Quan & Qi Gong Andreas W Friedrich, München, Sendlinger Straße 21Das Besondere ist, dass die Übungen je nach herrschenden Planetenkonstellationen und deren Einflüssen ausgesucht und auch erklärt werden. Dabei spielt die Jahreszeit ebenso eine Rolle wie der Mondkalender oder kurz- und langfristige Aspekte, die Einfluss auf unsere Stimmung, die Natur und das Weltgeschehen haben können.
Da das Universum ständig in Bewegung ist, wird jede Stunde anders gestimmt sein. Manche Übungen begleiten uns eine Weile, andere sind nur Momentaufnahmen… lasst Euch überraschen.

AstroQiGong findet statt: immer freitags von 10-11 Uhr (außer Schulferien) im Institut Integrales Tai Ji Quan & Qi Gong Andreas W Friedrich, Sendlinger Straße 21, München.
Interessierte sind herzlich willkommen (Probestunde 10,- €).

Möge allzeit der gestirnte Himmel über Euch sein!

Emotionslos abarbeiten

Nun sind Konstellationen, in denen Saturn eine Rolle spielt, meistens etwas knifflig. Die Stimmung ist oft im Keller, die Pflichten drücken, Arbeitsberge türmen sich auf… Allerdings sind diese Konstellationen auch sehr gut geeignet, um eben jene Arbeitsberge systematisch abzutragen. So wie heute – Sonne trifft Saturn: Weihnachten rückt immer näher und jede(r) hat in dieser ach so besinnlichen Zeit eine Menge zu erledigen.

Aber: Heute ist auch ein idealer Tag, um sich mit einem Blatt Papier zurückzuziehen und sich zu besinnen (vielleicht heißt es deshalb “besinnlich”), was noch in den nächsten Tagen getan werden muss, sollte, möchte…

Aber wo anfangen?

Ganz einfach! Der frühere US-Präsident Dwight D. Eisenhower hatte eine ganz einfache Methode. Er schrieb seine Aufgaben auf eine To Do-Liste und dann vergab er ihnen eine Priorität nach folgendem Muster:

Priorität A

Die Aufgabe ist dringend und wichtig!
Diese Aufgaben sollte man so schnell wie möglich und “emotionslos abarbeiten”!

Priorität B

Die Aufgabe ist wichtig, aber nicht dringend!
Vergeben Sie für diese Aufgaben einen Termin, bis wann Sie sie erledigen wollen. Sehr wahrscheinlich können Sie diese Aufgaben aber getrost auf “Zwischen-den-Jahren” oder gar ins nächste Jahr aufschieben.

Priorität C

Die Aufgabe ist dringend, aber nicht wichtig!
Überlegen Sie, ob Sie diese Aufgaben nicht delegieren können. Ihr(e) PartnerIn, Kinder, (Schwieger-)Eltern, Freunde, Nachbarn können Ihnen das eine oder andere möglicherweise ohne große Probleme abnehmen, so wie Sie diese Menschen auch unterstützen können. Z.B. wenn jemand eh mit dem Auto zum Großmarkt fährt, kann er/sie für andere etwas mitbringen. Wenn jemand einen Weihnachtsbaum kaufen fährt, ist es keine Mühe, zwei oder drei Bäume zu besorgen. Wer Packerl einpackt, kann auch noch ein paar mehr einpacken. Wer Packerl zur Post bringt, kann andere Packerl mitnehmen usw.
Wenn man einmal in Ruhe anfängt zu überlegen, fallen einem viele Möglichkeiten ein. Man muss wahrlich nicht alles selber machen!

Priorität D

Die Aufgabe ist weder wichtig noch dringend!
Muss sie überhaupt erledigt werden? Oder kann sie in der “Rundablage” (vulgo Papierkorb) verschwinden?

Und siehe da: Plötzlich ist Struktur in dem Aufgabenberg. Und Sie haben doch noch Zeit, auf einen Adventskaffee mit Freunden oder Nachbarn, für sich selbst und für die Dinge, die Sie einfach gerne machen möchten – egal ob dringlich und/oder wichtig…

St@rnerQi wünscht Ihnen allen noch eine schöne Adventszeit!

Meditieren? … Kann ich nicht!

Kennen Sie das auch? Ständig lesen Sie irgendwelche Artikel, die die tollsten Erkenntnisse beschreiben, die jemand während einer Meditation hatte. Innere Ruhe, Lichtempfindungen, achtsames Wahrnehmen des eigenen Körpers, Atmung…

… und wenn Sie sich dann aufs Kissen setzen und auch meditieren wollen, dann … nun ja … dann kreiseln die Gedanken. Ihren Körper nehmen Sie allenfalls 5 Sekunden wahr, bevor Sie wieder bei der Einkaufsliste und der Bügelwäsche oder der letzten blöden Bemerkung Ihres Chefs sind. Irgendwann juckt und kribbelt alles. Die Beine schlafen ein, der Rücken schmerzt. Und wenn Sie versuchen, auf Ihren Atem zu achten, dann haben Sie das Gefühl, gleich zu ersticken!
Sie geben entnervt auf und denken: “Meditation ist halt nix für mich … Die können mir mit dem ganzen Achtsamkeits-Gelaber den Buckel runter rutschen!”

Schade eigentlich, denn man kann sich selbst so viel Gutes tun, wenn man die Bedürfnisse des eigenen Körpers bewusst und liebevoll wahrnimmt.
Was wollen mir die ewig verspannten Schultern sagen? Was der wehe Rücken, die schmerzenden Knie?

Bewusstheit durch Bewegung

WirbelsäuleHier die gute Nachricht für alle Genervten: Es geht auch ohne Meditation!

Denn man kann auch Achtsamkeit für seinen Körper entwickeln, indem man sich bewegt, indem man ganz bewusst und vorsichtig die Grenzen der eigenen Beweglichkeit auslotet und überhaupt erst wahrnimmt, was alles geht und was nicht – und wie es sich so anfühlt im eigenen Leib.

Tai Ji-ler und Qi Gong-ler kennen das, wobei es da eher darum geht, die Hüfte nicht ausbrechen zu lassen, die Schulternester nicht zu schließen, nicht zum Boden zu schauen … damit alles schön offen bleibt und das Qi fließen kann.

Wer sich schon einmal mit der Feldenkrais-Methode beschäftigt hat, kennt das auch – aber von einer anderen Seite. Hier geht es eher darum, Bewegungsmuster zu entdecken, die uns nicht gut tun, und diese durch die unzähligen anderen Bewegungsfreiheiten zu ersetzen, die uns zur Verfügung stehen. Die muss man aber natürlich erst einmal entdecken! … und integrieren!

Das funktioniert am besten im Liegen, weil man dabei das eigene Gewicht nicht tragen muss … und die Füße ganz anders wahrnehmen darf – das Becken auch und erst den Rücken! So gänzlich unbeschwert…

Wie anders ist das doch dann im Stehen. Ups, da sind sie wieder, die ollen Muster… Halt nein, gerade im Liegen hat sich das doch ganz anders angefühlt…

Mit Synergie zur Achtsamkeit

Ah ja, genau darum geht es, wenn sich Feldenkrais, Tai Ji und Qi Gong treffen! Und oh! Wie gut das tut, wenn sich in die Routine-Bewegungen plötzlich ganz neue Möglichkeiten einschleichen. Da tun sich neue Dimensionen auf!

So ganz spielerisch, ohne eingeschlafene Füße, ohne Meditationskissen und ohne plappernde Gedanken.
Stehen die Füße anders auf dem Boden der Tatsachen, tun die Knie nicht mehr weh und das Becken lässt sich in alle Richtungen bewegen. Und, yeah, die Wirbelsäule richtet sich ganz von alleine auf, der Kopf schwebt, und mit stolzem Blick schauen wir in und auf die Welt. Der Atem wird so tief, so frei, so leicht…

… und wir schweben … wir schweben durch eine Qi Gong-Übung, durch die Tai Ji-Form … durchs Leben – zu jeder Zeit gleichermaßen achtsam in den beiden Universen: dem in unserem Körper und dem um uns herum.

Wer von zwei Vollprofis lernen möchte, wie man durchs Leben schwebt, hat dazu Gelegenheit: am 9. und 10. Juli 2016 (Sa. 10-13 & 15-18 Uhr / So. 10-14:30 Uhr) im Institut Integrales Tai Ji Quan & Qi Gong in der Sendlinger Str. 21 in 80331 München.
Kosten: 290,- €
Am besten gleich anmelden, bevor die Plätze vergeben sind: telefonisch unter 089/89891040 oder per Mail an AWF(at)awf-taiji.de.

Synergetisches Projekt Tai Ji & Qi Gong meet FeldenkraisIrene Heck, international zertifizierte Feldenkrais-Pädagogin und Andreas W Friedrich, Tai Ji & Qi Gong Meister, ergänzen sich, wirken von den zwei Polen Yin und Yang her aufeinander ein und öffnen einen gänzlich neuen “Erlebensraum”!

Wer bislang keine Erfahrung mit Tai Ji, Qi Gong oder Feldenkrais hat, wird in diesem “Synergetischen Projekt” hingeführt. Wer bereits Feldenkrais, Tai Ji oder Qi Gong praktiziert, wird eine neue Dimension der eigenen Persönlichkeitsentwicklung kennenlernen.

Melden Sie sich heute noch an: telefonisch unter 089/89891040 oder per Mail an AWF(at)awf-taiji.de.

WWW – oder die Frage: Was wissen Wikis?

Als ich kürzlich Jean Gebser las, kamen mir seine Gedanken über die Frage, was Wissen eigentlich ist, wann es zu Weisheit wird und was damit passiert, wenn es aufgeschrieben wird, sehr bekannt vor. Hatte ich mich doch bereits 2008 einmal mit diesen Fragen im Rahmen des Themas “Wissensmanagement” beschäftigt. Damals habe ich einen netten Essay darüber geschrieben, der – fast – in der Schublade verrottet wäre, hätte ich mich nicht wieder an ihn erinnert. Und so soll er also nun hier den Weg an die Öffentlichkeit finden:

Wahrscheinlich wissen Sie, dass der Rhein der längste Fluss Deutschlands ist und 1789 die französische Revolution stattfand. Aber, sind sie wirklich sicher, dass das stimmt?
Haben Sie die Flüsse nachgemessen? Waren Sie dabei, als die Bastille gestürmt wurde?

Nein? Sie sagen, Sie hätten es in der Schule gelernt und in Büchern gelesen, da könne man schon darauf vertrauen, dass es stimme! Aha, Sie glauben also, dass diese Sachverhalte richtig sind … und erinnern sich vielleicht gerade an Ihren alten Geschichtslehrer und seine Schrullen … da sind wir auch schon mitten im Thema: Wissen, Informationen, Lernen…

In den vergangenen Jahren konnte man viel über Wissensunternehmen und Wissensmanagement lesen. Häufig wurde damit ein hohes Wachstum und Rentabilität verbunden. Sieht man allerdings genauer hin, verbergen sich hinter den Begriffen nur Software-Tools. Die Frage danach, was Wissen eigentlich ist, stellt kaum jemand.
Leider, denn schnell würde klar, dass Wissen an Menschen gebunden ist und eine Software immer nur Hilfsmittel sein kann.

Der ‚letzte Schrei‘ unter den Tools sind Wikis. Ihnen wird nachgesagt, sie würden Wissen schneller im Unternehmen verteilen und dadurch Unternehmen zum Wettbewerbsvorsprung verhelfen. Ob diese Behauptung stimmt, soll der folgende Artikel beleuchten.

Information – Wissen – Kompetenz – Expertentum

Schon ein Blick auf die Begriffe zeigt, dass ‚Information‘ und ‚Wissen‘ sowie ‚Wissen‘ und ‚Kompetenz‘ häufig synonym verwendet werden, obwohl sie es keineswegs sind.

Der Brockhaus definiert ‚Information‘ als ‚Auskunft, Nachricht, Mitteilung‘.
Zu ‚Wissen‘ heißt es dort: ‚kognitives Schema, an Erfahrung orientiert; stellt Handhabung von Sachverhalten auf angenommene zuverlässige Basis von Informationen und Regeln.‘ Daraus folgt Begründbarkeit, Prüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Sachverhalte.

Halten wir also fest: Wissen besteht aus Informationen und Regeln.
Aus dem Zusammenspiel beider Größen werden Strukturen abgeleitet, in die weitere Informationen eingebettet werden können. Hierzu weiter unten mehr, wenn es ums Lernen geht.

Der britisch-amerikanische Chemiker und Philosoph ungarischer Herkunft Michael Polanyi (1891-1976) hat sich mit dem Thema ‚Wissen‘ sehr intensiv auseinander gesetzt und hat vier Merkmale des Wissens herausgearbeitet (Polanyi 1985):

1. Wissen ist implizit: Wissen ist eine persönliche Eigenschaft und ein individuelles Merkmal, es beinhaltet Gefühle und Leidenschaften. Das meiste, was wir wissen, können wir nicht in Worte fassen, wie z.B. die Grammatik unserer Muttersprache oder wie eine Klarinette klingt (Wittgenstein, PU 78). Auch praktisches Wissen kann man nur schwer sprachlich erläutern, man muss es zeigen.

2. Wissen ist handlungsorientiert: Wissen ist ein Prozess. Es wird ständig aufgegeben und neu gebildet. Nur dadurch ist der Mensch handlungsfähig, weil er sich so auf veränderte Anforderungen einstellen kann. Jeder Mensch muss individuell einen Weg entwickeln, wie er neue Informationen in das eigene Wissen integriert.

3. Wissen ist regelgestützt: Das Ergebnis jeder Handlung wird als Muster (Regel) im Gehirn abgelegt. Diese Denkmuster werden aufgebrochen und neu gebildet, wenn komplexe Situationen neue Handlungsweisen erfordern.

4. Wissen unterliegt einer kontinuierlichen Veränderung: Wissen vermehrt sich mit jeder Handlung und deren Ergebnis. Wissen, das durch Sprache artikuliert oder gezeigt wird (expliziert durch Information oder Tradition), wird statisch. Dadurch kann es verbreitet, reflektiert, kritisiert und vermehrt werden. In dem Moment der Explikation findet aber eine Loslösung des Wissens vom Wissensträger statt. Der Wissensträger kann nicht mehr kontrollieren, wie das Wissen vom Empfänger aufgenommen wird – außer bis zu einem gewissen Grad in der direkten Auseinandersetzung mit dem anderen Menschen.

Will nun jemand einen Sachverhalt, den er oder sie weiß, aufschreiben – also explizieren –, sind Fähigkeiten notwendig. Fähigkeiten spielten bei diesen Betrachtungen allerdings noch keine Rolle, weil sie weder Information noch Wissen sind, sondern dem Bereich der Kompetenz zugeordnet werden.

Kompetenz umfasst fünf Elemente (Sveiby 1998):

1. Explizites Wissen: das sind alle Informationen und eine formale Ausbildung.

2. Fähigkeiten: das Wissen, wie etwas gemacht wird, praktisches Können, die Kenntnis von Regeln und Strukturen und die Fähigkeit zur Kommunikation. Fähigkeiten können nicht oder nur sehr schwer auf andere übertragen werden, sondern müssen von jedem Menschen selbst erworben werden.

3. Erfahrung: das Betrachten der Ergebnisse von Handlungen und das Nachdenken über Fehler und Erfolge.

4. Werturteile: persönliche Auffassungen, die immer individuell und sozial bedingt sind. Sie sind bewusste und unbewusste Filter für den Wissensprozess. Ob eine Handlung sinnvoll ist, ergibt sich immer erst aus der Bewertung (Leisegang 1960). Die Bewertungsgrundlage kommt aus der bereits vorhandenen Erfahrung.

5. soziales Beziehungsgeflecht: d.h. Mitmenschen, Umgebung, Kultur und Tradition. Diese Größen ändern sich, wenn man in eine neue Umgebung kommt. Das bedeutet, dass man z.B. beim Wechsel seines Arbeitsplatzes einen Teil seiner Kompetenz verliert.

Gehen wir nun noch einen Schritt weiter. Menschen, die in einem Fachbereich sehr kompetent sind, können die einer Handlung zugrunde liegenden Strukturen modifizieren oder gar komplett erneuern. Sie entwickeln so effizientere oder einer komplexen Situation angemessenere Verfahrensweisen. Man spricht dann von Experten.
Experten können zwar ihr Wissen weitergeben, aber nicht das, was sie zu Experten macht. Expertentum beruht auf der Person des Experten und seiner (oder ihrer) Arbeitsweise, Neugierde, dem persönlichen Umfeld, dem Vorwissen, dem Fleiß … und vielen anderen Dingen.
Leonardo da Vinci – ein absoluter Meister seines Fachs – hatte viele Schüler, die zweifelsohne viel von ihm lernten. Ein zweiter Leonardo kam dabei jedoch nicht heraus.

Handeln – Erkennen – Urteilen

Nachdem zuvor die einzelnen Stufen beschrieben wurden, stehen wir nun vor der Frage, wie wird man Experte, wenn man vor einer Sammlung von Informationen steht? Die Antwort lautet: durch Lernen!

Lernen ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem aus den erkannten Zusammenhängen zunächst Regeln und, in einem späteren Schritt, aus den Regeln Strukturen abgeleitet werden. In diese Strukturen werden neue Informationen eingegliedert und mit dem vorhandenen Wissen in Zusammenhang gebracht. Jemandem etwas erklären bedeutet, den ihm zunächst unbekannten Sachverhalt auf für ihn Bekanntes zurückzuführen und einen einzelnen Vorgang in ein allgemeines und bekanntes Gesetz einzuordnen (Leisegang 1960).

Ein besonders wichtiges Kriterium des Lernprozesses ist, dass die einzelnen Informationen in ein Geflecht aus Beziehungen und Bewertungen eingebunden werden. Dadurch sind die Informationen quasi festgehalten und zugeordnet, sie stehen nicht mehr zusammenhanglos im Raum und können nicht mehr vertauscht werden. Diese Geflechte und Strukturen sind für uns Menschen lebenswichtig. Die Entwicklung von Ideen und der Aufbau von Beziehungen sind dem Menschen eigene Bestrebungen. Strukturen werden entwickelt, um sich darin als Person entfalten zu können (Precht 2007 und McLuhan nach Sveiby 1998).

Wissen und Kompetenz zu erwerben und Strukturen zu erkennen, ist ein aktiver und auch anstrengender Vorgang, der Zeit kostet. Dieser Vorgang muss von jedem Menschen selbst immer wieder neu gemeistert werden. Dazu muss man ausprobieren, Fehler machen, sich kritisieren lassen, sich verbessern und üben. Also handeln, erkennen, ob es die richtige Handlung war und beurteilen, ob sie gut war und zum gewünschten Ergebnis geführt hat. Dabei erwirbt man praktische und theoretische Fähigkeiten, Erfahrung und entwickelt seine Werturteile. Dieser Vorgang ist weitestgehend implizit, oft unartikuliert und sehr wirkungsvoll.

Jede Erfahrung, alles, was wir denken und fühlen hinterlässt eine – bio-chemisch nachweisbare – Spur in unserem Gehirn. Diese Spuren werden ständig umgestaltet. Um bewusst etwas erinnern zu können, muss das Erlebte geistig erfasst und reflektiert sein. Unser Gehirn speichert keine Daten, sondern Bedeutungen (Kandel nach Precht 2007). Und Bedeutung erlangt ein Sachverhalt nur dann für uns, wenn etwas selbst erarbeitet oder ausgeführt und das Ergebnis reflektiert wird.

Die reine Übertragung von Informationen hingegen trägt demnach so gut wie gar nicht zum Aufbau von Wissen und Kompetenz bei – oder wie es ein chinesisches Sprichwort sagt: „Ein guter Lehrer ist besser als zehn Bücher.“

Die Wertlosigkeit von Informationen

Aus den vorangegangen Feststellungen, v.a. in Bezug auf die Übertragung von Wissen in Form von Informationen, zeigt sich, dass ‚Information‘ eine sehr unzuverlässige Größe in der Wissensbildung ist. Für den Sender spielt sie eine ganz präzise Rolle in seiner Denkstruktur, und er bewertet sie aufgrund seiner individuellen Erfahrung.

Ist die Information expliziert und vom Sender losgelöst, hat er keinen Einfluss mehr darauf, wie der Empfänger die Information bewertet und in sein Wissensgefüge einarbeitet. Die Information wird unzuverlässig und veraltet schnell, da sie immer nur eine Momentaufnahme im Wissensprozess darstellt.

Wir verfügen heute über mehr Informationen als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Diese Flut kann niemand mehr überblicken, und so kommt es, dass wir mehr und mehr abhängig sind von der subjektiven Meinung derer, die diese Informationen gefiltert haben. Häufig schenken wir übertriebenen und lauten Aussagen, die meist nur schlecht begründet sind, viel mehr Aufmerksamkeit als einem Fachartikel, der ein Problem umfassend beschreibt (Sveiby 1998).

Auch das häufig zu beobachtende unstrukturierte Arbeiten vieler Mitarbeiter resultiert aus der unüberschaubaren Fülle an Informationen, die niemand mehr wirklich einordnen kann, und dem ständigen Mangel an Zeit. Es wird immer schwieriger, Regeln nicht nur oberflächlich zu erkennen, sondern wirklich abzuleiten. Strukturen zu durchdenken, mit den eigenen Erfahrungen und den neu hinzugekommenen Informationen in Zusammenhang zu bringen, erfordert ein Mindestmaß an Ruhe und Zeit. Ein ständiges Bombardement mit immer neuen Nachrichten ist dem Ziel nicht dienlich.

Die Bedeutung von Wikis

Welche der oben erörterten Elemente sind nun in einem Wiki zu finden? Wissen und Kompetenz, haben wir gesehen, sind eng an einen Wissensträger gebunden – einen Menschen. Das Wiki beinhaltet Informationen und möglicherweise Regeln, nicht aber die Verknüpfung dieser beiden Dinge. Das wiederum kann nur ein Mensch leisten. Und jeder Mensch braucht dafür Strukturen.

Nutzer eines Wikis benötigen also zumindest einen strukturellen Leitfaden, wie sie das eigene Wissen in das Wiki hinein explizieren oder die Informationen im Wiki in die eigene Wissensstruktur einordnen können. Das bedeutet, auch Wikis müssen Strukturen oder Kategorien aufweisen, in denen Wissenspositionen gefunden werden können.

Das Lernen allerdings wird von einem Wiki in keiner Weise unterstützt. Durch ein Wiki allein wird niemand gezwungen, sein Denken in Frage zu stellen oder gar aufzugeben und neu zu entwickeln, weil die persönliche Konfrontation mit der Problemstellung oft gänzlich fehlt. Zunächst ist ein Wiki nichts anderes als ein Ablagesystem in elektronischer Form – häufig sogar wesentlich schlampiger, weil die ‚Registerblätter‘ – also Kategorien und Strukturen – fehlen!

Ein Wiki, das nicht ständig gepflegt wird, ist wertlos. Zum einen, weil eine stetig wachsende Zahl von Informationen veraltet ist, zum anderen, weil Informationen, die nicht in eine Struktur eingebunden sind, zusammenhanglos im Raum stehen und für die Nutzer keine wesentliche Rolle im Wissenserwerb spielen können.

Es geht aber nicht nur um Neues und Altes. Zu sehr scheint das Augenmerk nur auf das Sammeln von Informationen gerichtet zu sein, nicht aber auf die Entwicklung von Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter. Ein Unternehmen wähnt sich im Besitz eines großen ‚Wissens‘, wenn nur das Wiki gut gefüllt ist.

Die Frage ist aber, was ein Unternehmen mit dem – vermeintlichen – Wissen, das da im System schlummert, erreichen möchte? Das Wiki allein bringt noch kein innovatives Neuprodukt auf den Markt. Das schaffen nur kreative, neugierige und kommunikative Mitarbeiter. Für sie ist das Wiki allerdings ein Medium unter vielen, um Informationen auszutauschen.

Man kann – wie schon eingangs erwähnt – in verschiedenen Artikeln lesen, dass Wikis die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens steigern, da Information und Geschwindigkeit wesentliche Erfolgsfaktoren sind. Hier lässt sich an mehreren Punkten Kritik formulieren.

1. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens wird nicht verbessert, nur weil ein Wiki eingesetzt wird. Viel wichtiger ist es für ein Unternehmen, eine Strategie zu entwickeln, die nicht so einfach von der Konkurrenz übernommen werden kann. Hierbei spielen v.a. die Mitarbeiter und die Kunden eines Unternehmens eine Rolle. Jedes Produkt kann kopiert werden. Einzigartige Beziehungen zwischen Kunden und Mitarbeitern, die zur perfekten Lösung spezieller Herausforderungen führen und damit echtes Wissen generieren, jedoch nicht (Sveiby 1998). Diese Lösungen finden nur Teams aus kompetenten Mitarbeitern.

2. Es wurde bereits gezeigt, dass Informationen sehr schnell an Wert verlieren. Auch wenn ein Mitarbeiter diese Informationen schnell auffinden kann (Bermann 2007), kann er/sie nicht sicher sein, ob diese Informationen noch gültig sind. Hinzu kommt, dass Wikis ein Pull-Medium sind (Zurawski 2007), d.h. jeder muss sich selbst bemühen, an Informationen zu kommen. Was aber ist, wenn Mitarbeiter dies – aus verschiedenen Gründen – nicht tun?

3. Ein weiterer negativer Aspekt des Einsatzes solcher Systeme (wenn nicht der Nutzung des Internet überhaupt) ist die Absolutheit, die viele Menschen diesen Medien zukommen lassen. Werden benötigte Informationen dort nicht gefunden, wird dies als gegeben akzeptiert. Gefundene Informationen werden nur selten hinterfragt und kaum geprüft. Die Suche nach und das Lesen von weiterführender Literatur entfällt fast vollständig. (Obwohl es hier um ein IT-System und das Internet geht – der Autorin sei der Hinweis gestattet – enthält die Bibliografie zu diesem Artikel nur – echte – Bücher und Zeitschriftenartikel und keinen Verweis auf Internetseiten!)

Ausblick

Unternehmen, die ihr Wissen systematisieren wollen, sollten nicht ihr Hauptaugenmerk darauf legen, ‚Wissen‘, von Menschen losgelöst, als Informationen in Systemen abzulegen, wo es bald wertlos wird, wenn es nicht gepflegt wird. Vielmehr geht es darum, diese Informationen in anderen Köpfen zu neuem Wissen zu machen. In einem nächsten Schritt sollten die Mitarbeiter dazu befähigt und angeleitet werden, das Gelernte kritisch zu hinterfragen (Keller 2006).

Dies passiert jedoch nicht vor dem Computer im Büro, sondern in der Konfrontation mit Aufgabenstellungen und der individuellen Anleitung, im Austausch mit Kollegen und in der Anwendung. Konkret würde das bedeuten, dass die Mitarbeiter der verschiedenen Abteilungen miteinander ins Gespräch kommen. Denn, trotz „aller technologischen Zauberei komplexer IT-Systeme kann nichts das gute altmodische Gespräch ersetzen.“ (Barry Harrington in Harvard Business Review, Mai-Juni 1996, S.33; zitiert nach Sveiby 1998, S. 197).

Kommunikation ist nämlich nicht einfach nur der mündliche Austausch von Informationen, sondern die Organisation eines Systems aus Versprechungen und Erwartungen (Luhmann nach Precht 2007). Nur im persönlichen Gespräch werden – implizit – non-verbale Äußerungen des Gesprächspartners wahrgenommen, wie das Hochziehen der Augenbrauen, Schulterzucken, Resignation in der Stimme, Lächeln, Zynismus etc. Diese Erfahrungen legt der Informations-Empfänger zusammen mit der übertragenen Information ab.

Das ist auch der Grund, weshalb Entscheidungen, die ‚aus dem Bauch heraus‘ getroffen werden, meist besser sind als Entscheidungen, die auf Basis (zu) vieler Informationen gefällt werden (Sveiby 1998). Das Bauch-Gefühl basiert auf vielen Gesprächen, Erkenntnissen und den unbewusst aufgenommenen non-verbalen Äußerungen der Gesprächspartner, die Eingang in den eigenen Erfahrungsschatz gefunden haben. Ein Wiki kann das alles nicht leisten.

Artikel über den Obstbaumschnitt (Bermann 2007) haben – mit Verlaub – in einem Unternehmens-Wiki nichts verloren. Die wenigen Mitarbeiter, die sich dafür interessieren, könnten das am Wochenende in ihren Gärten bei Kaffee und Kuchen erörtern. Es wäre allerdings im Interesse des Unternehmens, diese Menschen zusammenzubringen. Neben Obstbaum-Schnitt-Finessen tauschen Mitarbeiter, sitzen sie erst mal zusammen am Tisch, auch ihr Wissen zu den Unternehmensprojekten aus.

Um auf die Titel-Frage zurückzukommen: Was wissen Wikis nun? Die Antwort lautet eindeutig: Nichts! Wikis können nichts wissen. Weil nur Menschen etwas wissen können. Diese Menschen können jedoch einen Teil ihres Wissens im Wiki explizieren und mit Kollegen erörtern. Die Nutzer müssen die Bereitschaft aufbringen, das explizite Wissen aus dem Wiki aktiv aufzunehmen und in ihren eigenen Erfahrungsschatz einzubinden. Dann kann das Wiki ein Weg sein, Mitarbeiter – auf eine künstliche Art – miteinander ins Gespräch zu bringen.

Denn Wissen nimmt zu, wenn Menschen es mit anderen Menschen teilen. Der Rohstoff Wissen ist grenzenlos (Sveiby 1998). Unternehmen müssen sich damit abfinden, dass mit jedem Mitarbeiter, der das Unternehmen verlässt, auch Wissen abwandert.
Hat der Mitarbeiter aber im Lauf der Zeit durch eine intakte Gesprächskultur seine Kenntnisse mit vielen Kolleginnen und Kollegen geteilt, sollte im Unternehmen keine allzu große Lücke entstehen.

Wie aktuell das alles ist, zeigt ein aktueller Artikel, der diese Woche in den VDI-Nachrichten erschienen ist: “Wenn geballtes Wissen in den Ruhestand geht”

 

Literatur

Brockhaus Enzyklopädie. 21. Aufl. (2006).

Bermann, Jens (2007): Die gläserne Firma. In: Brand eins, H. 03/07, S. 109–115.

Keller, Albert (2006): Allgemeine Erkenntnistheorie. 3., durchges. und erg. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer (Urban-Taschenbücher, 346).

Leisegang, Hans; Müller, Johannes (1960): Einführung in die Philosophie. 4. Aufl. Berlin: de Gruyter (Sammlung Göschen, 281).

Nonaka, Ikujiro; Takeuchi, Hirotaka; Mader, Friedrich (1997): Die Organisation des Wissens. Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen. Frankfurt/Main: Campus-Verl.

Polanyi, Michael (1985): Implizites Wissen. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 543).

Polanyi, Michael (2000): Personal knowledge. Towards a post-critical philosophy. [15. Dr.]. Chicago: Univ. of Chicago Press.

Polanyi, Michael; Grene, Marjorie (1969): Knowing and being. Essays by Michael Polanyi. Chicago: Univ. of Chicago Press.

Precht, Richard David (2007): Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise. 6. Aufl. München: Goldmann.

Sveiby, Karl Erik (1998): Wissenskapital – das unentdeckte Vermögen. Immaterielle Unternehmenswerte aufspüren, messen und steigern. Landsberg/Lech: Verl. Moderne Industrie.

Wittgenstein, Ludwig (1984): Werkausgabe. [in 8 Bänden]. [Taschenbuchausg.]. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1.

Zurawski, Konstantin (2007): Bieten an der Wissensbörse. In: Bild der Wissenschaft, H. 11/07, S. 104–106.

Achtsamkeit ist nichts für Weicheier!

Man könnte das Thema “Achtsamkeit” in die “Eso-Schublade” stecken und es dabei bewenden lassen, am Mittwoch Abend einen Stein achtsam von A nach B zu legen, oder ein Tuch, ein Seil, den eigenen Körper achtsam zu bewegen.
Spätestens um 22 Uhr trampelt man dann wieder auf die Straße und marschiert rücksichtslos in Richtung U-Bahnhof…

Fragen wir doch ruhig einmal – wie die Kinder in der Schule in Anbetracht der Infinitesimalrechnung: Wozu braucht man Achtsamkeit im richtigen Leben?

Dazu fiel mir in ganz anderem Zusammenhang kürzlich ein Buch in die Hände, in dem es darum geht, wie Unternehmen unerwartete Situationen meistern können, ohne dass Menschen oder das Unternehmen zu Schaden kommen und ohne die Situation eskalieren zu lassen (siehe Angabe am Ende dieses Beitrags).

Es geht dabei keineswegs um Krisenmanagement! Sondern darum, Krisen gar nicht erst entstehen zu lassen. Denn: “In den frühesten Stadien macht sich das Unerwartete durch kleine Diskrepanzen bemerkbar, die schwache Warnzeichen kommenden Ärgers aussenden. Diese Hinweise sind schwer zu entdecken, doch wenn man sie entdeckt, kann man die Probleme noch leicht beheben.”

Begrenzte Sicht
Begrenzte Sicht

Diese Hinweise aufzuspüren, ist nicht einfach. Denn wir tendieren alle dazu, auf schwache, undeutliche Signale gar nicht oder nur nachlässig zu reagieren!
Doch wenn man, Sie ahnen es, achtsam mit den eigenen Aufgaben, mit Verantwortung, Entscheidungen und den Kollegen/Mitarbeitern umgeht, können Diskrepanzen auffallen und Probleme gar nicht erst entstehen.

So erkennt z.B. die Besatzung eines Flugzeugträgers per Funk an der Stimme des Piloten, der zur Landung ansetzt, ob dieser in hohem Maß gestresst ist und die Landung möglicherweise nicht beim ersten Versuch klappt.
Alle Landungen werden aufgezeichnet. Klappt eine Landung nicht, wird diese von der ganzen Besatzung analysiert – nicht um jemanden bloß zu stellen oder zu beschuldigen, sondern um daraus für die Zukunft zu lernen!

Verantwortliche in Atomkraftwerken oder Feuerwehren verlagern in Extremfällen die Entscheidungsbefugnis auf den Mitarbeiter, der die meiste Kompetenz und die meiste Erfahrung für den konkreten Fall aufweist – unabhängig von dessen Platz in der Hierarchie.

Fehler passieren immer, sie sind menschlich, aber sie dürfen niemals dazu führen, dass man wie das sprichwörtliche Kaninchen gelähmt vor der Schlange steht und nichts mehr unternimmt, um die Situation zu meistern.
Man muss lernen, flexibel zu denken und zu handeln, sich möglichst viele und möglichst komplexe Situationen vorzustellen und in Gedanken durchzuspielen. Die Welt ist komplex, unbegreiflich, unberechenbar. Je umfassender wir sie wahrnehmen können, umso eher können wir erkennen, wo überall sich kleine Veränderungen auswirken können, und umso gezielter können wir reagieren.

Komplexität
Komplexität

Nichts anders erfahren und üben wir, wenn wir an der einen Ecke eines Tuchs vorsichtig ziehen … und plötzlich die ganze andere Seite des Tuchs vom Tisch rutscht!
Dann haben wir etwas über das “System Tuch” gelernt, das fließt und irgendwann vom eigenen Gewicht gezogen wird und dabei hohe Geschwindigkeiten erreichen kann. Was wir niemals erwartet haben!

Das System Tuch
Das System Tuch

Achtsam zu agieren ist anstrengend. Es erfordert eine hohe Konzentration und Willensstärke, sich nicht von unvorhergesehenen Dingen (und sei es der plötzliche Lärm von der Baustelle nebenan) ablenken und/oder erschrecken zu lassen. Das muss man üben – immer und immer wieder.

Und mit jeder  Stunde der Übung im Kleinen mit dem Stellen von Konstellationen, dem Malen von Linien, dem Bewegen des eigenen Körpers und der Erfahrung von dessen Grenzen nimmt man etwas von dieser Achtsamkeit mit ins “richtige” Leben, in den Alltag, den Beruf, die Familie, den Straßenverkehr…

… so dass wir immer besser damit umgehen können, wenn Partner, Kinder, Kunden, Kollegen und Vorgesetzte plötzlich anders reagieren als erwartet!

(Fortsetzung folgt!)

Literatur:
Weick, Karl E.; Sutcliffe, Kathleen M. (2010): Das Unerwartete managen. Wie Unternehmen aus Extremsituationen lernen. 2. vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel

Tendenz lustlos?

Neulich saß ich abends in meiner Kuschelecke. Wie so oft hatte ich mir ein bisschen „Arbeit“ mitgenommen, da ich abends nochmal für ein paar Stunden sehr gut und v.a. kreativ arbeiten kann:
Ein Konzept für einen Kunden, die „Hausaufgaben“ für die Experimentelle Zenkünste-Stunde am Mittwoch Abend im Institut Integrales Tai Ji Quan & Qi Gong und ein Fachbuch über die funktionale Sicherheit von Maschinen und Anlagen.

Reichlich seltsames Zeug, das wenig miteinander zu tun hat, würde man vermuten… Und ich war müde und hatte zu nichts so recht Lust. Ziemlich unmotiviert nahm ich das eine, dann das andere zur Hand … um es gleich wieder wegzulegen.

Nun überlegte ich: finge ich nun an zu lesen (wozu es mich noch am ehesten drängte), würde ich die anderen beiden Dinge überhaupt nicht mehr machen. Das Konzept eilte aber ein wenig, außerdem hatte ich für den kommenden Tag schon anderes geplant. Und, nun gut, auf die Hausaufgaben hätte ich schon ‚vergessen‘ können, aber das verbot mir eigentlich mein Stolz.
Also, Ergebnis meiner Überlegungen war, ich fange mal mit diesen „Hausaufgaben“ (nämlich Linien malen) an, das sollte in etwa 20 Minuten erledigt und damit vom Tisch sein. Und dann würde ich weiter sehen.

Gesagt, getan. Die Aufgabe war: Male eine Linie, die häufig abrupt die Richtung ändert, etwa so, wie sich eine Ameise bewegt oder ein Huhn.
Ich nahm Bleistift und Papier, stellte mir ein paar Momente lang Ameisen und Hühner vor – ein Marienkäfer drängte sich mir auch noch ins Bewusstsein, keine Ahnung, woher er kam – und begann ganz unwillkürlich zu zeichnen.

Linien mit abrupten Richtungswechseln
Linien mit abrupten Richtungswechseln

… zuerst die Ameise … dann das Huhn … und schlussendlich schlug auch der Marienkäfer noch seine Kapriolen.

Dann war da auch noch die Aufgabe, Linien zu malen, die man singen kann (hm, na ja, die man singen kann, wenn man singen kann? Nein, die jeder – auch ich – singen können sollte). Schon schwieriger!
Ich nahm ein neues Blatt, legte den Bleistift beiseite und schnappte mir meine ca. 35 Jahre alten Pelikan-Wachsmalkreiden. (Ja, sie haben irgendwo im Schrank überdauert, um nun endlich ihre wahre Berufung gefunden zu haben!)

Linien, die gesungen werden können
Linien, die gesungen werden können

Über meine Versuche, die Linien zu singen, schweige ich mich hier aus … aber ich stellte mir zumindest vor, wie sie jemand, der es kann, singen würde. Meine Stimme tut nicht immer das, was mein musikalisches Ohr sich vorstellt … das frustriert leider manchmal. Aber ich hatte trotzdem einigen Spaß mit mir selber, während ich darüber sinnierte und malte …

Danach legte ich die Malutensilien weg und nahm – ganz selbstverständlich – das Konzept zur Hand. Wie durch ein kleines Wunder purzelten die Ideen nur so aus mir heraus. Das Konzept gedieh, es funktionierte wie am Schnürchen. Und nach gar nicht allzu langer Zeit hatte es Hand und Fuß. (Mal sehen, was der Kunde dazu sagt, aber das ist ja eigentlich auch egal. Für mich war es erstmal ein Wurf, der sich sehen lassen konnte.)

… und dann kam ich eben doch noch zu meinem Buch und hatte auch noch genügend Zeit, um mich in die Sicherheitsgrundnormen EN ISO 12100, ISO 13849-1, IEC 62061, Performance Level und Safety Integrity Level, Gefährdungsanalyse, Risikoeinschätzung und Risikobeurteilung zu vertiefen.

Es mag zwar nicht jeder mit mir einer Meinung sein, aber für mich war es ein rundum gelungener und kreativ-produktiver Abend, der mich müde aber glücklich ins Bett fallen ließ.
… und angefangen hatte es damit, dass ich meine Lustlosigkeit mit ein paar einfachen Linien aufs Papier (ver-)bannte!

Wenn Sie das nächste Mal „null Bock“ auf irgendwas haben, versuchen Sie es doch mal damit, singend ein paar Linien zu malen!
Und berichten Sie uns über Ihre Erfahrungen!

Einzigartig und außergewöhnlich wie jeder Mensch: die 5

War die 4 eine “ideale” Zahl, so ist die 5 nicht weniger außergewöhnlich.
Während die 4 etwas Gerades, Klares, Logisches an sich hat – was auch in den Ge4ten zu sehen ist, die in sich abgeschlossen zu sein scheinen –, so ist die 5 sperrig und ungebärdig!

Als Verbindung aus der männlichen 3 und der weiblichen 2 versucht sie die Gegensätze zu verbinden und deutet dabei symbolisch auf die Schwierigkeiten, die dabei entstehen: sie ist unteilbar und hat ihre Eigenarten. Mit Fünfecken lässt sich z.B. keine Fläche vollständig bedecken…
… und der Mensch, der Ausführende, der das Ge4t zum Leben erweckt und zum Ge5t macht, ist ebenso sperrig wie einzigartig. Kein Ge4t gleicht dem anderen, wenn es zum Ge5t wurde!

Und doch: die 5 ist allgegenwärtig in der Natur und daher eine Kraft, ein Symbol, das wir in unserem Leben finden und fühlen sollen. Fünf Sinne sind dem Menschen eigen, fünf Finger und fünf Zehen an jeder Hand und jedem Fuß, fünf Blütenblätter und/oder Staubblätter finden sich an unzähligen Pflanzen…

Ge5t

…und die oberen Konjunktionen von Venus und Sonne beschreiben im Tierkreis ein Pentagramm … fast … denn, es “fehlen” jedes Mal etwa 2,4°, so dass das Pentagramm nie wieder an den Ausgangspunkt zurück kehrt.
Kann man sich ein schöneres Symbol vorstellen für die unendlichen Gesetze, auf denen unser Leben beruht?

Dieser kleine, aber feine Umstand macht es auch Mephisto in Goethes Faust ein wenig schwer, sein teuflisches Treiben auszuleben:

“MEPHISTOPHELES:
[…] Dürft ich wohl diesmal mich entfernen?
FAUST:
Ich sehe nicht, warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennen lernen
Besuche nun mich, wie du magst.
Hier ist das Fenster, hier die Türe,
Ein Rauchfang ist dir auch gewiß.
MEPHISTOPHELES:
Gesteh ich’s nur! daß ich hinausspaziere,
Verbietet mir ein kleines Hindernis,
Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle-
FAUST:
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ei sage mir, du Sohn der Hölle,
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?
MEPHISTOPHELES:
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen:
Der eine Winkel, der nach außen zu,
Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
FAUST:
Das hat der Zufall gut getroffen! […]”
Goethe: Faust I, Szene im Studierzimmer

Aber zurück zur Erforschung der Zahl 5.
Alle alten Hochkulturen erhoben ihren Blick in den gestirnten Himmel und beobachteten das Spiel der Venus. Und alle suchten – “wie oben, so unten” – nach Entsprechungen auf der Erde.

In der Symbolik der abrahamitischen Religionen ist die 5 allgegenwärtig. Von den fünf Büchern Moses (Pentateuch) über die fünf Wunden Christi hin zu den fünf Pfeilern des Glaubens im Islam…

Gilt im chinesischen Kulturkreis die 4 – aufgrund ihrer Lautgleichheit zum Wort “Tod” – als Unglückszahl, ist mit der Zahl 5 das große Glück verbunden.
Die ganze Lehre der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) beruht auf den 5 Wandlungsphasen. Je nachdem, in welcher Reihenfolge und Richtung sich die Wandlungsphasen gegenseitig beeinflussen, kann dies unterschiedliche Auswirkungen haben.

Die 5 Wandlungsphasen
Die 5 Wandlungsphasen

… und wieder sehen wir das Pentagramm!

Agrippa von Nettesheim stellte den Menschen in einen Kreis … und fand schon wieder ein Pentagramm.

Heinrich Cornelius Agrippa
Heinrich Cornelius Agrippa [Public domain], via Wikimedia Commons
Dem ordnete er die damals bekannten fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn zu. “Dumm” war nur, dass zu seiner Zeit im vom hellenistischen Denken geprägten Kulturkreis nur 4 (!) Elemente bekannt waren! (Wir erinnern uns, die Pythagoreer verherrlichten die Zahl 4, daher durfte es nicht mehr als vier Elemente geben!)
… und so machten sich die Alchemisten auf die Suche nach dem geheimen fünften Element: der quinta essentia, der Quintessenz!
… die die Chinesen ja eigentlich schon längst gefunden hatten!

Bei dieser Allgegenwart der 5 und des Pentagramms ist es kein Wunder, dass fast alle Kulturen Pentagramme oder auch Hände mit ihren fünf Fingern als Amulette zur Abwehr böser Geister einsetzten (wichtig: beim Pentagramm muss dazu die Spitze unbedingt nach oben weisen!).

Es ist wohl gerade das Sperrige, das Unteilbare, Nicht-Einordenbare, die Verbindung des Männlichen und Weiblichen, das der Zahl 5 ihren Charakter gibt.

Freuen wir uns also, wenn wir die Ge4te auf unsere je eigene Art und Weise zu Ge5ten machen. Und beobachten wir, wie anders jeder Mensch seine Einzigartigkeit einbringt: erst damit entsteht das Glück, das gegen die bösen Geister wirkt!

Wandlungsphasen und Haikus, ars73
Wandlungsphasen und Haikus von ars73

Literatur:
Endres, Franz Carl; Schimmel, Annemarie (1995): Das Mysterium der Zahl. Zahlensymbolik im Kulturvergleich. Sonderausgabe. München: Diederichs (Diederichs gelbe Reihe Weltkulturen, 52).

Bilder:
@AWF
@ars73
Wikimedia Commons

4 … oder: die ideale Zahl

Die Zahl 4 als Ordnungsprinzip ist in der Kulturgeschichte allgegenwärtig und ist ein Ausdruck der weitesten Entwicklung. Sie stellt das Ende eines Zyklus dar, der mit einer Zweiheit – einem Dualismus – beginnt.

Am Anfang steht die 1, die Einheit, das Ungeteilte. Teilt dieses Eine sich (Yin&Yang, Licht&Dunkel, männlich&weiblich, Wasser&Erde…), entsteht eine Zweiheit und mit ihr ein Dualismus der zwei scheinbar unvereinbaren Gegensätze.

Indem man “Gegensätze” nicht dual, sondern polar betrachtet – also zusammengehörig wie die Pole eines Magneten – nimmt man einen übergeordneten Sinn an, der die Gegensätze vereinen kann. Das Eine, Ungeteilte, kommt wieder hinzu als Drittes … und wir sind bei der Zahl 3.

Die 2 kann aber nun etwas eigenes: die beiden Elemente kann man zueinander in Beziehung setzen. Dieses zu jenem, jenes zu diesem, dieses zu diesem und jenes zu jenem. Dazu benötigt man die 1 nicht! Und, es entstehen 4 Möglichkeiten der Kombination.

Damit ist man tatsächlich am Ende eines Zyklus, denn aus den Zahlen 1, 2, 3 und 4 lassen sich alle anderen Zahlen ableiten. 1+2+3+4=10, womit diese vier Ziffern auch die Basis des Dezimalsystems darstellen. Ganz zu schweigen vom binären Zahlensystem, das genau auf diesen zuvor beschriebenen 2² Beziehungen aufbaut. Kein Wunder, dass die Phythagoreer die Zahl 4 als ideale Zahl betrachteten.

2×2: das Rechteck, oder in der Sonderform ein Quadrat, ist in praktisch allen Kulturen Grundlage für die Gestaltung von Häusern, Feldern und Dörfern. Das Feng Shui in China baut ebenso darauf auf, wie die Ordnung der Kelten oder Maya. Und auch in unserer Sprache erinnert das Wort “Stadt-VIERTEL” an diese Grundlage.
Selbstverständlich denkt man nun auch an die 4 Himmelrichtungen, 4 Mondphasen, 4 Jahreszeiten…

…und weiter an 4 Kardinaltugenden (Weisheit, Tapferkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit), die 4 apokalyptischen Reiter in der Offenbarung des hl. Johannes, 4 Vedas der Inder, 4 heilige Bücher des Islam, 4 Evangelien, die 4 edlen Wahrheiten des Buddhismus, das Tetragramm des Gottesnamens in der hebräischen Bibel, das Kreuz mit seinen vier Dimensionen … und, nicht zuletzt, an den Archetyp der Quaternität, den C. G. Jung eingeführt hat, mit dem das trinitarische Denken abgelöst werden sollte.

Raum
Raum (sichtbares Licht, Dimensionen, Weltraum, Raumzeit)
(Ölkreide auf Papier, © ars73, 2008)

Die 4 drückt immer etwas aus, was eine weitere Entwicklung darstellt, etwas, das über das hinausgeht, was gemeinhin durch eine Dreiheit ausgedrückt wird.
So kritisierte im 15. Jahrhundert der mystische Dichter Kabir Hinduismus und Islam gleichermaßen, wenn er sich darüber beklagt, dass Millionen von Menschen die Drei (Reichtum, Sinneslust und rechtes Verhalten) suchen. Das einzig Erstrebenswerte sei jedoch das Vierte: die Erlösung von der Unrast des geschöpflichen Lebens. [zit. nach Endres, Schimmel (1995)]

Friedrich Weinreb, der sich intensiv mit der Zahlenmystik in der hebräischen Bibelsprache auseinander gesetzt hat, findet so auch weitere Entsprechungen der Zahl 4. Er beobachtet z.B. 4 Elemente der Sprache:
– Buchstaben (geschriebene)
– Laute (gesprochene Konsonanten der hebräischen Sprache)
– Vokale (die Farbe der Laute)
– die Melodie des gesprochenen Wortes oder Satzes.

Dieser 4-heit spüren wir gerade in den Experimentellen Zenkünsten nach, wenn wir sinnfreien Lautmalereien zuhören und Sprache auf eine ganz andere Art erhören, erspüren und erfahren.

Und im Tai Ji Quan und Qi Gong spüren wir weitere 4-heiten unseres Körpers:

  • 4 Temperamente, die auf die 4 Gallen beruhen, der schwarzen, der roten, der weißen und der grünen
  • 4 Extremitäten
  • Lunge, Atem, Herz und Kreislauf, die 4-heit, die für unser Leben steht
  • und das Verhältnis 1:4 von Lunge zu Herz, denn auf einen Atemzug kommen etwa vier Herzschläge.

Vielleicht achten Sie in Zukunft beim Üben von Tai Ji und Qi Gong oder auch beim Experimentieren mit den Zenkünsten einmal bewusst auf diese Vierheiten.
Wenn Ihnen weitere auffallen, freuen wir uns über Kommentare und eine Diskussion.

 

Literatur:
Endres, Franz Carl; Schimmel, Annemarie (1995): Das Mysterium der Zahl. Zahlensymbolik im Kulturvergleich. Sonderausgabe. München: Diederichs (Diederichs gelbe Reihe Weltkulturen, 52).
Weinreb, Friedrich (1987): Leiblichkeit. Unser Körper u. seine Organe als Ausdruck d. ewigen Menschen. 1. – 3. Tsd. Weiler im Allgäu: Thauros.
Weinreb, Friedrich (2007): Zahl, Zeichen, Wort. Das symbolische Universum der Bibelsprache. Neu gestaltete inhaltlich unveränderte Ausgabe. Zürich: Verlag der Friedrich-Weinreb-Stiftung.

Von der Be-WERT-ung zum Wert

Ein Thema, das sich für einen Anfänger der Experimentellen Zenkünste z.B. in den Konstellationsspielen aufdrängt, sind Bewertungen. War das jetzt gut, was ich gemacht habe, oder nicht?
Nun geht es genau darum, diese Fragen und Bewertungen erst einmal wahrzunehmen … und irgendwann auch sein zu lassen. Es ist egal…

Aber ist das so sinnvoll? Wäre es wirklich gut, wenn unser Leben frei von Bewertungen wäre?
Ich meine, nein!

Fangen wir ganz archaisch an. Der Jäger und Sammler, der auf der Suche nach Nahrung ein Tier erlegt oder Früchte gefunden hat, musste immer entscheiden, ob diese Nahrung genießbar war oder nicht. Das ist eine Bewertung! Und noch dazu eine sehr wichtige!
Ein leitender Angestellter oder Unternehmer auf der Suche nach einem neuen Mitarbeiter: Der neue Mitarbeiter muss bewertet werden, ob er/sie für die Stelle geeignet ist und die notwendigen Fähigkeiten mitbringt. Kein beliebtes Thema! Aber notwendig!
Jeder Liebende bewertet seine Liebe! Sonst wäre die Liebe nicht da… Irgendetwas hat er oder sie in den Augen des Liebenden, was andere nicht haben.
Bewertung ist unvermeidlich. Schon die Tatsache, dass man liebt, ist eine Bewertung. Und das ist gut so!

In unserer Gesellschaft wird sehr viel Unwichtiges bewertet. Modische Kleidung, Äußerlichkeiten und Statussymbole spielen eine größere Rolle als der Mensch, der in der Kleidung steckt!
Dort, wo allerdings eine ehrliche Bewertung angebracht wäre, findet sie in der Regel nicht nur nicht statt, sondern wird nachgerade bekämpft unter dem Deckmäntelchen der Chancengleichheit o.ä.
Nehmen wir die Berufswahl: eine liebevolle Be-WERT-ung eines Jugendlichen würde so manchen unglücklichen Erwachsenen vermeiden helfen. Wieso soll ein junger Mensch, der gerne und gut kocht und bäckt, Industriekaufmann werden?
Nur, weil man damit – vielleicht – mehr Geld verdienen kann und in einem namhaften Großkonzern einen – angeblich – sicheren Arbeitsplatz bekommen kann? Welchen Wert hat es dann, dass aus diesem fröhlichen jungen Menschen ein unglücklicher, womöglich kranker, Arbeitnehmer wird, der sich im Großkonzern eingesperrt und “versklavt” fühlt? Dieser fröhliche Mensch würde unter Umständen mit einem eigenen kleinen Restaurant sehr glücklich werden… Wer weiß das schon außer dem Betroffenen selbst?

Bewertungen sind immer subjektiv. Das muss uns klar sein.
Schwierig wird es nämlich in dem Moment, wo diese subjektiven Maßstäbe objektiviert und gedankenlos anderen übergestülpt werden. Wenn wir in unserer großen Liebe – durch die rosa Brille – etwas sehen, was gar nicht da ist, wird es zwangsläufig irgendwann knallen!
Genauso, wenn Eltern (und Lehrer) junge Menschen in Berufe drängen, von denen die Erwachsenen Wunschvorstellungen in sich tragen, die aber weder mit dem Berufsalltag noch mit den Vorlieben und Eignungen des jungen Menschen etwas zu tun haben…

Die Experimentellen Zenkünste lehren mit ihrer achtsamen Wahrnehmung von Bewertungen, den Maßstab nicht an andere Menschen oder Dinge anzulegen – sondern an die Bewertungen an sich.
Auch eine Bewertung der eigenen Person ist in Ordnung, solange sie mich auf meinen ganz eigenen Weg führt, mich spüren lässt, was ich sehr gut kann, was mir Freude macht. Ist die Selbstbewertung jedoch so, dass sie den eigenen Selbstwert schmälert, muss sie als das erkannt werden!

Die Be-WERT-ung muss den Wert erkennen: den Wert des Objekts der Bewertung und den Wert der Bewertung an sich.

Ein stylishes T-Shirt ist ein Stück Stoff – oft nicht mal ein besonders wertvoller Stoff. Man zieht es an, weil irgendjemand (wer eigentlich?) festlegt, dass dieses Stück Stoff in dieser Farbe unbedingt “angesagt” ist. Auch dann, wenn man weder die Farbe noch den Schnitt mag… Das ist uns wichtig! Nach solchen Äußerlichkeiten be-WERT-en wir einen anderen Menschen. Fragen dabei aber nicht, ob dieser Mensch glücklich ist!
Der junge Mensch auf der Suche nach einem Beruf (und hier sollten wir “Berufung” hören) ist es uns nicht wert, dass wir uns so viele Gedanken über ihn machen, wie über unser stylishes T-Shirt. Der wird in einen Beruf gedrängt, in dem er sich möglichst viele stylishe T-Shirts kaufen kann…
Wir werden zu Konsumenten erzogen! Im Grunde ist es allen egal, was wir gut können und wie wir uns fühlen. Hauptsache, wir kaufen.

Wir dürfen und können nicht ohne Be-WERT-ungen leben, aber wir müssen sie erkennen. Und wir müssen einen eigenen Wert-Maßstab entwickeln, der jedesmal eine Warnlampe aufleuchten lässt, wenn wir von außen Be-WERT-ungen annehmen, ohne sie zu hinterfragen. Wenn wir mehr Aufmerksamkeit auf unseren Kleiderschrank und unser Auto richten als auf unsere Kinder.

Be-WERT-ungen sind wert-voll, aber sie dürfen kein Prokrustesbett werden, in dem alles abgeschnitten wird, was mich oder jemand anderen als Person ausmacht…

Vom Ego und der Kunst, im Hier und Jetzt zu leben

(Teil 2 des Artikels: Widerstand ist eine Form von Beurteilung)

Es geht um nichts Geringeres, als wach zu werden und wieder die Kontrolle über unser Denken zu erhalten. Nur dann können wir wirklich weiter kommen auf unserem Weg. Denn das Ego hat die unangenehme Eigenschaft, sich nicht aus der eigenen Komfortzone heraus bewegen zu wollen. Es will alles so lassen, wie es ist, auch wenn wir mit unserem Status Quo noch so unzufrieden sind! Aber, da weiß man wenigstens, was man hat… Das Neue, das Andere, nein, das kennt das Ego nicht, das muss also schlecht sein!

„Du musst dich permanent beobachten – vor allem deine Gedanken – in jedem Moment, ohne etwas auszulassen. Die Beobachtung ist wesentlich zur Trennung des Selbst vom nicht-Selbst … Sei dir jenes Zustandes bewusst, der einfach nur Sein ist, ohne dieses oder jenes zu sein.“
Nisargadatta Maharaj

Also, ganz egal, ob wir unser Leben grundlegend ändern oder einfach nur bessere Push Hands-Spieler werden wollen … es lohnt sich, den eigenen Gedanken zuzuhören. Und dabei bis ins innerste Mark zu erschrecken!

Wie oft kauen wir eigentlich kleinste Unannehmlichkeiten durch, die uns widerfahren sind? Wie lange beschäftigen uns Bilder der Gewalt aus Filmen oder Fernsehnachrichten? Und, meine Güte, wie schnell urteilen wir? (Dass die Welt schlecht ist, wissen wir schließlich … aus dem Fernsehen!) Vor allem, was nützen uns diese Urteile und Meinungen eigentlich, mit denen wir dann durch die Welt trampeln? Und von denen wir, ach, so schwer wieder Abstand nehmen können?

Doch halt, wir haben ja schon erfahren, dass gar nicht wir es sind…

Wut, Ärger und Angst sind nichts anderes als ein schnelles, meist allzu schnelles, Urteil über die Situation. Das Ego möchte die Kontrolle nicht verlieren und leistet Widerstand. Es will weg! Oder siegen! Da es aber keine neuen Ideen zulassen kann (wo kämen wir da hin?), wird es nie verstehen, dass man durch Nachgeben oder das Zugeben von Schwächen siegen und aus Fehlern lernen kann.

Es geht also darum, das Ego zu beobachten, wie es für uns denkt und handelt. Das Bewusstsein muss wieder die Kontrolle über unser Denken und Handeln bekommen. Versuchen Sie doch einmal herauszufinden, wie lange Sie gar nichts denken können?

Es ist schwer, die Gedanken vollständig zur Ruhe zu bringen. Eine gute Möglichkeit, es zu üben, bietet sich beim Push Hands. Hier können wir vor jeder Begegnung daran arbeiten, unseren Affengeist schweigen zu lassen, präsent zu sein, die Aufmerksamkeit auf unseren Körper und unseren Partner zu richten. Und, nehmen wir doch all die Gefühle einfach wahr, die in uns aufsteigen, wenn wir uns Aug’ in Aug’ gegenüber stehen oder unser Gleichgewicht verlieren…

Warum immer gleich die Situation bewerten in Form von Wut oder Überlegenheitsgefühlen? Freuen wir uns doch stattdessen lieber über unsere Fehler! Wenn es uns gelingt, sie zu betrachten, ohne sie zu bewerten, dann und nur dann können wir echte Fortschritte machen!

Denn je stiller der Affengeist, umso unbesiegbarer wird man. Und der Affengeist wird still, wenn man im Hier und Jetzt ist. Da gibt es weder Schmerz über Dinge, die längst vergangen und ohnehin nicht mehr zu ändern sind, noch Spekulationen über zukünftige Katastrophen, die meistens eh nicht eintreten … und wenn doch, dann immer anders als geplant! Im Hier und Jetzt hat der Affengeist seine Grundlage verloren und muss schweigen. Dann ist der Weg frei, eine Situation so wahrzunehmen, wie sie wirklich ist. Die notwendige und angemessene Reaktion stellt sich von selbst ein.

Das und nichts anderes dürfte der „Trick“ jener alten Meister gewesen sein, von denen überliefert ist, dass sie ihren Gegnern so lange Aug’ in Aug’ gegenüber standen, bis die Gegner die Nerven verloren, aufgaben und ihre Absicht im Angriff verrieten. Mit einem leeren Geist und der Aufmerksamkeit ganz im Augenblick ist der Sieg dann sicher.

Wenn es denn so einfach wäre…

 

(Literatur:
Shaw, Andy: A bugfree mind, 3. Aufl., September 2013; http://www.abugfreemind.com
Tolle, Eckhart: The power of NOW. A guide to spiritual enlightenment. New World Library und Namaste Publishing, 2004)