Von der Be-WERT-ung zum Wert

Ein Thema, das sich für einen Anfänger der Experimentellen Zenkünste z.B. in den Konstellationsspielen aufdrängt, sind Bewertungen. War das jetzt gut, was ich gemacht habe, oder nicht?
Nun geht es genau darum, diese Fragen und Bewertungen erst einmal wahrzunehmen … und irgendwann auch sein zu lassen. Es ist egal…

Aber ist das so sinnvoll? Wäre es wirklich gut, wenn unser Leben frei von Bewertungen wäre?
Ich meine, nein!

Fangen wir ganz archaisch an. Der Jäger und Sammler, der auf der Suche nach Nahrung ein Tier erlegt oder Früchte gefunden hat, musste immer entscheiden, ob diese Nahrung genießbar war oder nicht. Das ist eine Bewertung! Und noch dazu eine sehr wichtige!
Ein leitender Angestellter oder Unternehmer auf der Suche nach einem neuen Mitarbeiter: Der neue Mitarbeiter muss bewertet werden, ob er/sie für die Stelle geeignet ist und die notwendigen Fähigkeiten mitbringt. Kein beliebtes Thema! Aber notwendig!
Jeder Liebende bewertet seine Liebe! Sonst wäre die Liebe nicht da… Irgendetwas hat er oder sie in den Augen des Liebenden, was andere nicht haben.
Bewertung ist unvermeidlich. Schon die Tatsache, dass man liebt, ist eine Bewertung. Und das ist gut so!

In unserer Gesellschaft wird sehr viel Unwichtiges bewertet. Modische Kleidung, Äußerlichkeiten und Statussymbole spielen eine größere Rolle als der Mensch, der in der Kleidung steckt!
Dort, wo allerdings eine ehrliche Bewertung angebracht wäre, findet sie in der Regel nicht nur nicht statt, sondern wird nachgerade bekämpft unter dem Deckmäntelchen der Chancengleichheit o.ä.
Nehmen wir die Berufswahl: eine liebevolle Be-WERT-ung eines Jugendlichen würde so manchen unglücklichen Erwachsenen vermeiden helfen. Wieso soll ein junger Mensch, der gerne und gut kocht und bäckt, Industriekaufmann werden?
Nur, weil man damit – vielleicht – mehr Geld verdienen kann und in einem namhaften Großkonzern einen – angeblich – sicheren Arbeitsplatz bekommen kann? Welchen Wert hat es dann, dass aus diesem fröhlichen jungen Menschen ein unglücklicher, womöglich kranker, Arbeitnehmer wird, der sich im Großkonzern eingesperrt und “versklavt” fühlt? Dieser fröhliche Mensch würde unter Umständen mit einem eigenen kleinen Restaurant sehr glücklich werden… Wer weiß das schon außer dem Betroffenen selbst?

Bewertungen sind immer subjektiv. Das muss uns klar sein.
Schwierig wird es nämlich in dem Moment, wo diese subjektiven Maßstäbe objektiviert und gedankenlos anderen übergestülpt werden. Wenn wir in unserer großen Liebe – durch die rosa Brille – etwas sehen, was gar nicht da ist, wird es zwangsläufig irgendwann knallen!
Genauso, wenn Eltern (und Lehrer) junge Menschen in Berufe drängen, von denen die Erwachsenen Wunschvorstellungen in sich tragen, die aber weder mit dem Berufsalltag noch mit den Vorlieben und Eignungen des jungen Menschen etwas zu tun haben…

Die Experimentellen Zenkünste lehren mit ihrer achtsamen Wahrnehmung von Bewertungen, den Maßstab nicht an andere Menschen oder Dinge anzulegen – sondern an die Bewertungen an sich.
Auch eine Bewertung der eigenen Person ist in Ordnung, solange sie mich auf meinen ganz eigenen Weg führt, mich spüren lässt, was ich sehr gut kann, was mir Freude macht. Ist die Selbstbewertung jedoch so, dass sie den eigenen Selbstwert schmälert, muss sie als das erkannt werden!

Die Be-WERT-ung muss den Wert erkennen: den Wert des Objekts der Bewertung und den Wert der Bewertung an sich.

Ein stylishes T-Shirt ist ein Stück Stoff – oft nicht mal ein besonders wertvoller Stoff. Man zieht es an, weil irgendjemand (wer eigentlich?) festlegt, dass dieses Stück Stoff in dieser Farbe unbedingt “angesagt” ist. Auch dann, wenn man weder die Farbe noch den Schnitt mag… Das ist uns wichtig! Nach solchen Äußerlichkeiten be-WERT-en wir einen anderen Menschen. Fragen dabei aber nicht, ob dieser Mensch glücklich ist!
Der junge Mensch auf der Suche nach einem Beruf (und hier sollten wir “Berufung” hören) ist es uns nicht wert, dass wir uns so viele Gedanken über ihn machen, wie über unser stylishes T-Shirt. Der wird in einen Beruf gedrängt, in dem er sich möglichst viele stylishe T-Shirts kaufen kann…
Wir werden zu Konsumenten erzogen! Im Grunde ist es allen egal, was wir gut können und wie wir uns fühlen. Hauptsache, wir kaufen.

Wir dürfen und können nicht ohne Be-WERT-ungen leben, aber wir müssen sie erkennen. Und wir müssen einen eigenen Wert-Maßstab entwickeln, der jedesmal eine Warnlampe aufleuchten lässt, wenn wir von außen Be-WERT-ungen annehmen, ohne sie zu hinterfragen. Wenn wir mehr Aufmerksamkeit auf unseren Kleiderschrank und unser Auto richten als auf unsere Kinder.

Be-WERT-ungen sind wert-voll, aber sie dürfen kein Prokrustesbett werden, in dem alles abgeschnitten wird, was mich oder jemand anderen als Person ausmacht…