Archiv der Kategorie: Tai Ji und Qi Gong

AstroQiGong – was ist das?

Was kann, soll, darf man sich unter einer „AstroQiGong“-Stunde vorstellen?

Zunächst eine ganz normale Qi Gong-Stunde mit vielen Übungen. Angefangen von einfachen „Fühlübungen“ über komplexere und auch mal körperlich fordernde Übungen bis hin zur Erfahrung von Energien und Kräften durch einen Partner.

AstroQiGong, freitags 10-11 Uhr im Institut Integrales Tai Ji Quan & Qi Gong Andreas W Friedrich, München, Sendlinger Straße 21Das Besondere ist, dass die Übungen je nach herrschenden Planetenkonstellationen und deren Einflüssen ausgesucht und auch erklärt werden. Dabei spielt die Jahreszeit ebenso eine Rolle wie der Mondkalender oder kurz- und langfristige Aspekte, die Einfluss auf unsere Stimmung, die Natur und das Weltgeschehen haben können.
Da das Universum ständig in Bewegung ist, wird jede Stunde anders gestimmt sein. Manche Übungen begleiten uns eine Weile, andere sind nur Momentaufnahmen… lasst Euch überraschen.

AstroQiGong findet statt: immer freitags von 10-11 Uhr (außer Schulferien) im Institut Integrales Tai Ji Quan & Qi Gong Andreas W Friedrich, Sendlinger Straße 21, München.
Interessierte sind herzlich willkommen (Probestunde 10,- €).

Möge allzeit der gestirnte Himmel über Euch sein!

Meditieren? … Kann ich nicht!

Kennen Sie das auch? Ständig lesen Sie irgendwelche Artikel, die die tollsten Erkenntnisse beschreiben, die jemand während einer Meditation hatte. Innere Ruhe, Lichtempfindungen, achtsames Wahrnehmen des eigenen Körpers, Atmung…

… und wenn Sie sich dann aufs Kissen setzen und auch meditieren wollen, dann … nun ja … dann kreiseln die Gedanken. Ihren Körper nehmen Sie allenfalls 5 Sekunden wahr, bevor Sie wieder bei der Einkaufsliste und der Bügelwäsche oder der letzten blöden Bemerkung Ihres Chefs sind. Irgendwann juckt und kribbelt alles. Die Beine schlafen ein, der Rücken schmerzt. Und wenn Sie versuchen, auf Ihren Atem zu achten, dann haben Sie das Gefühl, gleich zu ersticken!
Sie geben entnervt auf und denken: “Meditation ist halt nix für mich … Die können mir mit dem ganzen Achtsamkeits-Gelaber den Buckel runter rutschen!”

Schade eigentlich, denn man kann sich selbst so viel Gutes tun, wenn man die Bedürfnisse des eigenen Körpers bewusst und liebevoll wahrnimmt.
Was wollen mir die ewig verspannten Schultern sagen? Was der wehe Rücken, die schmerzenden Knie?

Bewusstheit durch Bewegung

WirbelsäuleHier die gute Nachricht für alle Genervten: Es geht auch ohne Meditation!

Denn man kann auch Achtsamkeit für seinen Körper entwickeln, indem man sich bewegt, indem man ganz bewusst und vorsichtig die Grenzen der eigenen Beweglichkeit auslotet und überhaupt erst wahrnimmt, was alles geht und was nicht – und wie es sich so anfühlt im eigenen Leib.

Tai Ji-ler und Qi Gong-ler kennen das, wobei es da eher darum geht, die Hüfte nicht ausbrechen zu lassen, die Schulternester nicht zu schließen, nicht zum Boden zu schauen … damit alles schön offen bleibt und das Qi fließen kann.

Wer sich schon einmal mit der Feldenkrais-Methode beschäftigt hat, kennt das auch – aber von einer anderen Seite. Hier geht es eher darum, Bewegungsmuster zu entdecken, die uns nicht gut tun, und diese durch die unzähligen anderen Bewegungsfreiheiten zu ersetzen, die uns zur Verfügung stehen. Die muss man aber natürlich erst einmal entdecken! … und integrieren!

Das funktioniert am besten im Liegen, weil man dabei das eigene Gewicht nicht tragen muss … und die Füße ganz anders wahrnehmen darf – das Becken auch und erst den Rücken! So gänzlich unbeschwert…

Wie anders ist das doch dann im Stehen. Ups, da sind sie wieder, die ollen Muster… Halt nein, gerade im Liegen hat sich das doch ganz anders angefühlt…

Mit Synergie zur Achtsamkeit

Ah ja, genau darum geht es, wenn sich Feldenkrais, Tai Ji und Qi Gong treffen! Und oh! Wie gut das tut, wenn sich in die Routine-Bewegungen plötzlich ganz neue Möglichkeiten einschleichen. Da tun sich neue Dimensionen auf!

So ganz spielerisch, ohne eingeschlafene Füße, ohne Meditationskissen und ohne plappernde Gedanken.
Stehen die Füße anders auf dem Boden der Tatsachen, tun die Knie nicht mehr weh und das Becken lässt sich in alle Richtungen bewegen. Und, yeah, die Wirbelsäule richtet sich ganz von alleine auf, der Kopf schwebt, und mit stolzem Blick schauen wir in und auf die Welt. Der Atem wird so tief, so frei, so leicht…

… und wir schweben … wir schweben durch eine Qi Gong-Übung, durch die Tai Ji-Form … durchs Leben – zu jeder Zeit gleichermaßen achtsam in den beiden Universen: dem in unserem Körper und dem um uns herum.

Wer von zwei Vollprofis lernen möchte, wie man durchs Leben schwebt, hat dazu Gelegenheit: am 9. und 10. Juli 2016 (Sa. 10-13 & 15-18 Uhr / So. 10-14:30 Uhr) im Institut Integrales Tai Ji Quan & Qi Gong in der Sendlinger Str. 21 in 80331 München.
Kosten: 290,- €
Am besten gleich anmelden, bevor die Plätze vergeben sind: telefonisch unter 089/89891040 oder per Mail an AWF(at)awf-taiji.de.

Synergetisches Projekt Tai Ji & Qi Gong meet FeldenkraisIrene Heck, international zertifizierte Feldenkrais-Pädagogin und Andreas W Friedrich, Tai Ji & Qi Gong Meister, ergänzen sich, wirken von den zwei Polen Yin und Yang her aufeinander ein und öffnen einen gänzlich neuen “Erlebensraum”!

Wer bislang keine Erfahrung mit Tai Ji, Qi Gong oder Feldenkrais hat, wird in diesem “Synergetischen Projekt” hingeführt. Wer bereits Feldenkrais, Tai Ji oder Qi Gong praktiziert, wird eine neue Dimension der eigenen Persönlichkeitsentwicklung kennenlernen.

Melden Sie sich heute noch an: telefonisch unter 089/89891040 oder per Mail an AWF(at)awf-taiji.de.

Einzigartig und außergewöhnlich wie jeder Mensch: die 5

War die 4 eine “ideale” Zahl, so ist die 5 nicht weniger außergewöhnlich.
Während die 4 etwas Gerades, Klares, Logisches an sich hat – was auch in den Ge4ten zu sehen ist, die in sich abgeschlossen zu sein scheinen –, so ist die 5 sperrig und ungebärdig!

Als Verbindung aus der männlichen 3 und der weiblichen 2 versucht sie die Gegensätze zu verbinden und deutet dabei symbolisch auf die Schwierigkeiten, die dabei entstehen: sie ist unteilbar und hat ihre Eigenarten. Mit Fünfecken lässt sich z.B. keine Fläche vollständig bedecken…
… und der Mensch, der Ausführende, der das Ge4t zum Leben erweckt und zum Ge5t macht, ist ebenso sperrig wie einzigartig. Kein Ge4t gleicht dem anderen, wenn es zum Ge5t wurde!

Und doch: die 5 ist allgegenwärtig in der Natur und daher eine Kraft, ein Symbol, das wir in unserem Leben finden und fühlen sollen. Fünf Sinne sind dem Menschen eigen, fünf Finger und fünf Zehen an jeder Hand und jedem Fuß, fünf Blütenblätter und/oder Staubblätter finden sich an unzähligen Pflanzen…

Ge5t

…und die oberen Konjunktionen von Venus und Sonne beschreiben im Tierkreis ein Pentagramm … fast … denn, es “fehlen” jedes Mal etwa 2,4°, so dass das Pentagramm nie wieder an den Ausgangspunkt zurück kehrt.
Kann man sich ein schöneres Symbol vorstellen für die unendlichen Gesetze, auf denen unser Leben beruht?

Dieser kleine, aber feine Umstand macht es auch Mephisto in Goethes Faust ein wenig schwer, sein teuflisches Treiben auszuleben:

“MEPHISTOPHELES:
[…] Dürft ich wohl diesmal mich entfernen?
FAUST:
Ich sehe nicht, warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennen lernen
Besuche nun mich, wie du magst.
Hier ist das Fenster, hier die Türe,
Ein Rauchfang ist dir auch gewiß.
MEPHISTOPHELES:
Gesteh ich’s nur! daß ich hinausspaziere,
Verbietet mir ein kleines Hindernis,
Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle-
FAUST:
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ei sage mir, du Sohn der Hölle,
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?
MEPHISTOPHELES:
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen:
Der eine Winkel, der nach außen zu,
Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
FAUST:
Das hat der Zufall gut getroffen! […]”
Goethe: Faust I, Szene im Studierzimmer

Aber zurück zur Erforschung der Zahl 5.
Alle alten Hochkulturen erhoben ihren Blick in den gestirnten Himmel und beobachteten das Spiel der Venus. Und alle suchten – “wie oben, so unten” – nach Entsprechungen auf der Erde.

In der Symbolik der abrahamitischen Religionen ist die 5 allgegenwärtig. Von den fünf Büchern Moses (Pentateuch) über die fünf Wunden Christi hin zu den fünf Pfeilern des Glaubens im Islam…

Gilt im chinesischen Kulturkreis die 4 – aufgrund ihrer Lautgleichheit zum Wort “Tod” – als Unglückszahl, ist mit der Zahl 5 das große Glück verbunden.
Die ganze Lehre der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) beruht auf den 5 Wandlungsphasen. Je nachdem, in welcher Reihenfolge und Richtung sich die Wandlungsphasen gegenseitig beeinflussen, kann dies unterschiedliche Auswirkungen haben.

Die 5 Wandlungsphasen
Die 5 Wandlungsphasen

… und wieder sehen wir das Pentagramm!

Agrippa von Nettesheim stellte den Menschen in einen Kreis … und fand schon wieder ein Pentagramm.

Heinrich Cornelius Agrippa
Heinrich Cornelius Agrippa [Public domain], via Wikimedia Commons
Dem ordnete er die damals bekannten fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn zu. “Dumm” war nur, dass zu seiner Zeit im vom hellenistischen Denken geprägten Kulturkreis nur 4 (!) Elemente bekannt waren! (Wir erinnern uns, die Pythagoreer verherrlichten die Zahl 4, daher durfte es nicht mehr als vier Elemente geben!)
… und so machten sich die Alchemisten auf die Suche nach dem geheimen fünften Element: der quinta essentia, der Quintessenz!
… die die Chinesen ja eigentlich schon längst gefunden hatten!

Bei dieser Allgegenwart der 5 und des Pentagramms ist es kein Wunder, dass fast alle Kulturen Pentagramme oder auch Hände mit ihren fünf Fingern als Amulette zur Abwehr böser Geister einsetzten (wichtig: beim Pentagramm muss dazu die Spitze unbedingt nach oben weisen!).

Es ist wohl gerade das Sperrige, das Unteilbare, Nicht-Einordenbare, die Verbindung des Männlichen und Weiblichen, das der Zahl 5 ihren Charakter gibt.

Freuen wir uns also, wenn wir die Ge4te auf unsere je eigene Art und Weise zu Ge5ten machen. Und beobachten wir, wie anders jeder Mensch seine Einzigartigkeit einbringt: erst damit entsteht das Glück, das gegen die bösen Geister wirkt!

Wandlungsphasen und Haikus, ars73
Wandlungsphasen und Haikus von ars73

Literatur:
Endres, Franz Carl; Schimmel, Annemarie (1995): Das Mysterium der Zahl. Zahlensymbolik im Kulturvergleich. Sonderausgabe. München: Diederichs (Diederichs gelbe Reihe Weltkulturen, 52).

Bilder:
@AWF
@ars73
Wikimedia Commons

4 … oder: die ideale Zahl

Die Zahl 4 als Ordnungsprinzip ist in der Kulturgeschichte allgegenwärtig und ist ein Ausdruck der weitesten Entwicklung. Sie stellt das Ende eines Zyklus dar, der mit einer Zweiheit – einem Dualismus – beginnt.

Am Anfang steht die 1, die Einheit, das Ungeteilte. Teilt dieses Eine sich (Yin&Yang, Licht&Dunkel, männlich&weiblich, Wasser&Erde…), entsteht eine Zweiheit und mit ihr ein Dualismus der zwei scheinbar unvereinbaren Gegensätze.

Indem man “Gegensätze” nicht dual, sondern polar betrachtet – also zusammengehörig wie die Pole eines Magneten – nimmt man einen übergeordneten Sinn an, der die Gegensätze vereinen kann. Das Eine, Ungeteilte, kommt wieder hinzu als Drittes … und wir sind bei der Zahl 3.

Die 2 kann aber nun etwas eigenes: die beiden Elemente kann man zueinander in Beziehung setzen. Dieses zu jenem, jenes zu diesem, dieses zu diesem und jenes zu jenem. Dazu benötigt man die 1 nicht! Und, es entstehen 4 Möglichkeiten der Kombination.

Damit ist man tatsächlich am Ende eines Zyklus, denn aus den Zahlen 1, 2, 3 und 4 lassen sich alle anderen Zahlen ableiten. 1+2+3+4=10, womit diese vier Ziffern auch die Basis des Dezimalsystems darstellen. Ganz zu schweigen vom binären Zahlensystem, das genau auf diesen zuvor beschriebenen 2² Beziehungen aufbaut. Kein Wunder, dass die Phythagoreer die Zahl 4 als ideale Zahl betrachteten.

2×2: das Rechteck, oder in der Sonderform ein Quadrat, ist in praktisch allen Kulturen Grundlage für die Gestaltung von Häusern, Feldern und Dörfern. Das Feng Shui in China baut ebenso darauf auf, wie die Ordnung der Kelten oder Maya. Und auch in unserer Sprache erinnert das Wort “Stadt-VIERTEL” an diese Grundlage.
Selbstverständlich denkt man nun auch an die 4 Himmelrichtungen, 4 Mondphasen, 4 Jahreszeiten…

…und weiter an 4 Kardinaltugenden (Weisheit, Tapferkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit), die 4 apokalyptischen Reiter in der Offenbarung des hl. Johannes, 4 Vedas der Inder, 4 heilige Bücher des Islam, 4 Evangelien, die 4 edlen Wahrheiten des Buddhismus, das Tetragramm des Gottesnamens in der hebräischen Bibel, das Kreuz mit seinen vier Dimensionen … und, nicht zuletzt, an den Archetyp der Quaternität, den C. G. Jung eingeführt hat, mit dem das trinitarische Denken abgelöst werden sollte.

Raum
Raum (sichtbares Licht, Dimensionen, Weltraum, Raumzeit)
(Ölkreide auf Papier, © ars73, 2008)

Die 4 drückt immer etwas aus, was eine weitere Entwicklung darstellt, etwas, das über das hinausgeht, was gemeinhin durch eine Dreiheit ausgedrückt wird.
So kritisierte im 15. Jahrhundert der mystische Dichter Kabir Hinduismus und Islam gleichermaßen, wenn er sich darüber beklagt, dass Millionen von Menschen die Drei (Reichtum, Sinneslust und rechtes Verhalten) suchen. Das einzig Erstrebenswerte sei jedoch das Vierte: die Erlösung von der Unrast des geschöpflichen Lebens. [zit. nach Endres, Schimmel (1995)]

Friedrich Weinreb, der sich intensiv mit der Zahlenmystik in der hebräischen Bibelsprache auseinander gesetzt hat, findet so auch weitere Entsprechungen der Zahl 4. Er beobachtet z.B. 4 Elemente der Sprache:
– Buchstaben (geschriebene)
– Laute (gesprochene Konsonanten der hebräischen Sprache)
– Vokale (die Farbe der Laute)
– die Melodie des gesprochenen Wortes oder Satzes.

Dieser 4-heit spüren wir gerade in den Experimentellen Zenkünsten nach, wenn wir sinnfreien Lautmalereien zuhören und Sprache auf eine ganz andere Art erhören, erspüren und erfahren.

Und im Tai Ji Quan und Qi Gong spüren wir weitere 4-heiten unseres Körpers:

  • 4 Temperamente, die auf die 4 Gallen beruhen, der schwarzen, der roten, der weißen und der grünen
  • 4 Extremitäten
  • Lunge, Atem, Herz und Kreislauf, die 4-heit, die für unser Leben steht
  • und das Verhältnis 1:4 von Lunge zu Herz, denn auf einen Atemzug kommen etwa vier Herzschläge.

Vielleicht achten Sie in Zukunft beim Üben von Tai Ji und Qi Gong oder auch beim Experimentieren mit den Zenkünsten einmal bewusst auf diese Vierheiten.
Wenn Ihnen weitere auffallen, freuen wir uns über Kommentare und eine Diskussion.

 

Literatur:
Endres, Franz Carl; Schimmel, Annemarie (1995): Das Mysterium der Zahl. Zahlensymbolik im Kulturvergleich. Sonderausgabe. München: Diederichs (Diederichs gelbe Reihe Weltkulturen, 52).
Weinreb, Friedrich (1987): Leiblichkeit. Unser Körper u. seine Organe als Ausdruck d. ewigen Menschen. 1. – 3. Tsd. Weiler im Allgäu: Thauros.
Weinreb, Friedrich (2007): Zahl, Zeichen, Wort. Das symbolische Universum der Bibelsprache. Neu gestaltete inhaltlich unveränderte Ausgabe. Zürich: Verlag der Friedrich-Weinreb-Stiftung.

Vom Ego und der Kunst, im Hier und Jetzt zu leben

(Teil 2 des Artikels: Widerstand ist eine Form von Beurteilung)

Es geht um nichts Geringeres, als wach zu werden und wieder die Kontrolle über unser Denken zu erhalten. Nur dann können wir wirklich weiter kommen auf unserem Weg. Denn das Ego hat die unangenehme Eigenschaft, sich nicht aus der eigenen Komfortzone heraus bewegen zu wollen. Es will alles so lassen, wie es ist, auch wenn wir mit unserem Status Quo noch so unzufrieden sind! Aber, da weiß man wenigstens, was man hat… Das Neue, das Andere, nein, das kennt das Ego nicht, das muss also schlecht sein!

„Du musst dich permanent beobachten – vor allem deine Gedanken – in jedem Moment, ohne etwas auszulassen. Die Beobachtung ist wesentlich zur Trennung des Selbst vom nicht-Selbst … Sei dir jenes Zustandes bewusst, der einfach nur Sein ist, ohne dieses oder jenes zu sein.“
Nisargadatta Maharaj

Also, ganz egal, ob wir unser Leben grundlegend ändern oder einfach nur bessere Push Hands-Spieler werden wollen … es lohnt sich, den eigenen Gedanken zuzuhören. Und dabei bis ins innerste Mark zu erschrecken!

Wie oft kauen wir eigentlich kleinste Unannehmlichkeiten durch, die uns widerfahren sind? Wie lange beschäftigen uns Bilder der Gewalt aus Filmen oder Fernsehnachrichten? Und, meine Güte, wie schnell urteilen wir? (Dass die Welt schlecht ist, wissen wir schließlich … aus dem Fernsehen!) Vor allem, was nützen uns diese Urteile und Meinungen eigentlich, mit denen wir dann durch die Welt trampeln? Und von denen wir, ach, so schwer wieder Abstand nehmen können?

Doch halt, wir haben ja schon erfahren, dass gar nicht wir es sind…

Wut, Ärger und Angst sind nichts anderes als ein schnelles, meist allzu schnelles, Urteil über die Situation. Das Ego möchte die Kontrolle nicht verlieren und leistet Widerstand. Es will weg! Oder siegen! Da es aber keine neuen Ideen zulassen kann (wo kämen wir da hin?), wird es nie verstehen, dass man durch Nachgeben oder das Zugeben von Schwächen siegen und aus Fehlern lernen kann.

Es geht also darum, das Ego zu beobachten, wie es für uns denkt und handelt. Das Bewusstsein muss wieder die Kontrolle über unser Denken und Handeln bekommen. Versuchen Sie doch einmal herauszufinden, wie lange Sie gar nichts denken können?

Es ist schwer, die Gedanken vollständig zur Ruhe zu bringen. Eine gute Möglichkeit, es zu üben, bietet sich beim Push Hands. Hier können wir vor jeder Begegnung daran arbeiten, unseren Affengeist schweigen zu lassen, präsent zu sein, die Aufmerksamkeit auf unseren Körper und unseren Partner zu richten. Und, nehmen wir doch all die Gefühle einfach wahr, die in uns aufsteigen, wenn wir uns Aug’ in Aug’ gegenüber stehen oder unser Gleichgewicht verlieren…

Warum immer gleich die Situation bewerten in Form von Wut oder Überlegenheitsgefühlen? Freuen wir uns doch stattdessen lieber über unsere Fehler! Wenn es uns gelingt, sie zu betrachten, ohne sie zu bewerten, dann und nur dann können wir echte Fortschritte machen!

Denn je stiller der Affengeist, umso unbesiegbarer wird man. Und der Affengeist wird still, wenn man im Hier und Jetzt ist. Da gibt es weder Schmerz über Dinge, die längst vergangen und ohnehin nicht mehr zu ändern sind, noch Spekulationen über zukünftige Katastrophen, die meistens eh nicht eintreten … und wenn doch, dann immer anders als geplant! Im Hier und Jetzt hat der Affengeist seine Grundlage verloren und muss schweigen. Dann ist der Weg frei, eine Situation so wahrzunehmen, wie sie wirklich ist. Die notwendige und angemessene Reaktion stellt sich von selbst ein.

Das und nichts anderes dürfte der „Trick“ jener alten Meister gewesen sein, von denen überliefert ist, dass sie ihren Gegnern so lange Aug’ in Aug’ gegenüber standen, bis die Gegner die Nerven verloren, aufgaben und ihre Absicht im Angriff verrieten. Mit einem leeren Geist und der Aufmerksamkeit ganz im Augenblick ist der Sieg dann sicher.

Wenn es denn so einfach wäre…

 

(Literatur:
Shaw, Andy: A bugfree mind, 3. Aufl., September 2013; http://www.abugfreemind.com
Tolle, Eckhart: The power of NOW. A guide to spiritual enlightenment. New World Library und Namaste Publishing, 2004)

Widerstand ist eine Form von Beurteilung

Begeben wir uns ins China des 13. Jahrhunderts. Wir sitzen zu Füßen des ehrwürdigen Meisters Chang San-Feng und lauschen seinen Ausführungen über Shen (Geist), Yi (Vorstellungskraft) und Qi … Er spricht über den Fluss des Qi, der der Vorstellungskraft folgt und sich vom Boden durch den ganzen Körper dorthin bewegt, wo das Qi gebraucht wird. Um mit den Worten zu enden: „All dies unterliegt dem Geist und zeigt sich nicht physisch.“

Damals wie heute sind die Ausführungen nicht leicht zu verstehen, geschweige denn anzuwenden. Für Generationen von Schülern der Inneren Kampfkünste klingen sie wie Zeugnisse aus einer fernen und fremden Welt, und es bedarf einiger Anstrengung und Überlegung, den Sinn zu erfassen.

Der Geist und der Mensch sollen ruhig werden, sich nicht von äußeren Dingen, Emotionen, dem Ego oder dem Ehrgeiz leiten lassen, ganz im Hier und Jetzt verweilen.

„Die Zerstörung des Egos, seine Auflösung im kosmischen und göttlichen Bewusstsein ist auch ein Teil unserer Ansicht der Umwandlung; durch diese Zerstörung entdecken wir die wahre oder spirituelle Person, die ein ewiger Teil des Göttlichen darstellt.“
Sri Aurobindo

Und schaut man in andere Kulturen, ganz egal, ob europäische oder fernöstliche, all die Weisen trachteten danach, den Geist zu kontrollieren und das Ego zu besiegen, aufzulösen…

Warum eigentlich? … und was ist eigentlich der Geist und das Ego?

Das Problem, das hier nach einer Lösung verlangt, ist unsichtbar … physisch nicht sichtbar, wie es auch Chang San-Feng schon wusste. Denn die meisten Handlungen und Worte, die wir ausführen und sprechen, sind unbewusst. Einerseits ist das auch gut so. Wir alle wären längst reif für die Klapsmühle, müssten wir jeden Dialog an der Supermarktkasse oder das tägliche Zähneputzen bewusst erleben und abarbeiten…

Andererseits bedeutet das aber auch, dass es irgendetwas in uns gibt, das diese Dinge steuert. Oder, uns steuert? Denn wer kann sicher sein, dass sich dieses Etwas nur um Smalltalk und Zähneputzen kümmert, bei den wirklich wichtigen Fragen aber plötzlich schweigt? Und wer oder was soll dann eigentlich so plötzlich das Kommando übernehmen?

Sichtbar wird dies z.B. für Push Hands-Spieler. Sie wissen, dass man sicher verliert, wenn man das tut, was man normalerweise tut, nämlich auf Druck mit Gegendruck oder Widerstand zu reagieren. Auch Emotionen wie Wut, Ärger oder Angst verleiten zu Bewegungen, die ein geübter Gegner leicht zu seinem Vorteil nutzen kann.

Hier sind einige Dinge schön zu sehen: dieses Etwas, das uns steuert, glaubt offenbar zu „wissen“, dass man auf Druck hart werden und mit Gegendruck antworten muss – und tut das auch. Ganz automatisch. Komisch nur, dass wir dabei sicher aus dem Gleichgewicht geraten. Da stimmt doch etwas nicht?!

Und statt darüber nachzudenken, ärgern wir uns… Aber ärgern wirklich wir uns? Ärgert sich nicht vielleicht auch dieses Etwas?

Sind wir überhaupt präsent? Leben wir unser Leben überhaupt?
Oder werden wir gelebt? Sind wir ferngesteuert von diesem Etwas?

Nennen wir dieses Etwas Affengeist, wie die Chinesen, oder Ego. Und um es einmal deutlich zu spüren, machen wir ein kleines Experiment: Suchen Sie in Ihrer Vergangenheit einen besonders schönen oder glücklichen Moment. Und dann versuchen Sie, 15 Sekunden ununterbrochen und intensiv an diesen Moment zu denken. Achtung, fertig, los…

15, 14, 13, 12, 11, 10 …

Wetten, dass Sie es NICHT geschafft haben, im ersten Anlauf Ihren Geist und Ihre Vorstellungskraft 15 Sekunden auf einen wunderschönen Moment in Ihrem Leben zu fokussieren? Spätestens nach zehn Sekunden hat ziemlich sicher der Affengeist dazwischen gequatscht und Sie daran erinnert, was Sie unbedingt heute noch erledigen müssen, dass die Verkäuferin beim Bäcker so unfreundlich war, Sie schon wieder für Ihren Chef irgendeinen Blödsinn nebenbei erledigen mussten…

„Es beginnt damit, dass du ICH sagst: Alles, was danach kommt, ist Illusion.“
Kodo Sawaki

Ha! Da haben wir es also ertappt, dieses Ego, das uns steuert, und glaubt, alles besser zu wissen!

Überlegen Sie sich das einmal: Dieses Ego gönnt Ihnen keine 15 Sekunden für eine schöne Erinnerung! Es lässt Sie nicht das denken, was Sie denken wollen! Es handelt für Sie, ohne vorher zu fragen… Starkes Stück!

… und dann ärgert es sich auch noch für Sie, weil das halt so üblich ist! Auch dann noch, wenn es lächerlich und völlig unnötig ist.

Pah! Kein Wunder, dass die Weisen, die dieses Viech erkannt hatten, alles daran setzten, es unschädlich zu machen. Aber wie schafft man das, wenn diese Prozesse doch unbewusst ablaufen?

Weiter zu Teil 2: Vom Ego und der Kunst, im Hier und Jetzt zu leben

(Literatur:
Shaw, Andy: A bugfree mind, 3. Aufl., September 2013; http://www.abugfreemind.com
Tolle, Eckhart: The power of NOW. A guide to spiritual enlightenment. New World Library und Namaste Publishing, 2004)

Taoistische Meditation

Entspannungsmethoden gibt es viele. Eine – etwas weniger bekannte – ist die Taoistische Meditation.

Nun denkt man bei ‘Meditation’ vielleicht gleich an ‘esoterisches Gemüse’ oder Kloster, an spirituelle Versenkung und Säulenheilige. Doch die Taoistische Meditation ist etwas anderes: Sie verbindet Körper, Herz und Seele. Natürlich hat sie auch einen spirituellen Aspekt, den jeder so intensiv praktizieren kann, wie er/sie möchte.

Die Taoistische Meditation setzt jedoch nicht auf einer rein spirituellen Ebene an, sondern beginnt im ‘Leib’. Ich verwende hier ganz bewusst nicht das Wort ‘Körper’. Denn ‘Körper’ bezieht sich nur auf unser ‘Fleisch und Blut’. Der ‘Leib’ geht darüber hinaus – und genau das tut die Taoistische Mediation auch.

Nun sind aus dem asiatischen Kulturkreis die Chakren bekannt, die Energiezentren des Körpers markieren und über den Körper hinaus reichen. Ebenso spricht man in der Taoistischen Meditation von Energiekörpern, die in acht Schichten übereinander liegen.

  1. Physischer Körper
  2. Qi-Körper
  3. Emotionaler Körper. Er darf nicht mit den Emotionen gleichgesetzt werden, steht aber in Beziehung zu den Emotionen
  4. Mentaler Körper. Ermöglicht Visualisierungen, macht Gedanken möglich.
  5. Psychischer Körper. Die Intuition ist hier angesiedelt, die Zeitdimension kann verstanden werden. Nur wenige können diesen Körper wirklich wahrnehmen.
  6. Kausalkörper. Er „sorgt“ dafür, dass wir etwas machen. Karma, Tendenzen in uns. Über diesen Körper sind wir mit dem Universum verbunden nicht nur mit anderen Menschen auf dieser Erde.
  7. Individualkörper
  8. Tao-Körper

In der Taoistischen Meditation geht es nun darum, diese Schichten des Leibes Schritt für Schritt in ihren ganz unterschiedlichen Energien zu erspüren und Blockaden in diesen Schichten zu lösen.

Da Verspannungen sich zwar physisch bemerkbar machen können, jedoch im Qi-Körper oder dem emotionalen oder mentalen Körper sitzen können, ist die durch diese Meditationspraxis erreichte Entspannung sehr viel tiefer. Sie löst Verspannungen dort auf, wo sie entstanden sind – und nicht nur physisch.

Das klingt für viele zunächst sehr seltsam. Wer aber einmal in einem Meditationsseminar (z.B. bei Bruce Kumar Frantzis oder Andreas W Friedrich) erlebt hat, wie unterschiedlich sich die Energien im ‘Leib’ anfühlen und wie erlösend es sein kann, wenn sich Spannungen auflösen und abfließen, der wird diese Art von Entspannungsübung zunehmend in sein Leben einbauen wollen.